Oft entsteht diese Situation : In einem Ensemble sind 2 Sorten von Ionen, die einen Kristall bilden. Man nennt ein solches Ensemble einen Ionenkristall. Ein Beispiel ist ein Kochsalzkristall, der aus Natriumionen und Chlorionen besteht.
In diesem Sinn ist die Überschrift des Abschnitts instruktiv und treffend. Sie ist auch genau, wenn man sich nicht von seinen subjektiven Vorstellungen von Ionenkristallen leiten lässt, sondern diesen Begriff weit auslegt.
Die Ionen können geladene Einzelatome sein (zum Beispiel Chlorionen) oder sie können aus mehreren Atomen bestehen (zum Beispiel Sulfationen). Die Zahl der Ionensorten kann genau 2 betragen (wie im Natriumchlorid) oder es können 3 oder noch mehr Ionensorten vorhanden sein (wie im Perowskit). Es können gleichviele Ionen von jeder Sorte vorhanden sein, oder es überwiegt eine Sorte. Die Ionen können unterschiedliche Größe haben, sie können unterschiedliche Ladungen tragen und es können unterschiedliche Arten von Bindungen zwischen ihnen wirken.
Bild 1 : Auf einer Unterlage wachsen unzählige kleine Quarzkristalle. Bildbreite etwa
4 cm. Die größten Nadeln sind etwa 1 cm lang und 3 mm dick. Die Kristalle stammen aus dem Val Bredetto
im Tessin/Schweiz.
Früher hat man Quarz (SiO2) als aus Si4+ und
O2Ionen bestehend beschrieben. Heute sieht man das differenzierter. Sicher aber tragen die
SiliziumIonen eine positive und die SauerstoffIonen eine halb so große negative Ladung.
In der Anfangszeit der Kristallstrukturuntersuchungen (Anfang des 20. Jahrhunderts) wurden den Teilchen in Ionenkristallen gewisse Eigenschaften zugeschrieben. Später erkannte man den Modellcharakter dieser Vorstellungen.
In Anfängertexten wird dieses Modell vielleicht immer noch unkritisch benutzt. Über dieses Niveau will ich hinausgehen. Ich benutze es dort, wo es Kristalle hinreichend gut beschreibt, ohne jedesmal darauf hinzuweisen, aber doch im Bewusstsein, dass es ein Modell ist. An allen anderen Stellen weise ich auf seine Abweichung von der Realität hin.
Die Strukturtypen dieses Abschnitts beschreiben Kristalle, in denen mehr oder weniger stark geladene Teilchen vorkommen. Viele tragen nur eine Teilladung. Die Wechselwirkungen zwischen den Teilchen kann man mit Ionenbindungen, mit mehr oder weniger stark polaren Atombindungen, mit Wasserstoffbrückenbindungen, mit Dipol und Dispersionskräften und manchmal sogar mit der metallischen Bindung beschreiben. Diese Kristalle nenne ich, wie allgemein üblich, Ionenkristalle.
In diesem Abschnitt werde ich keine Kristalle beschreiben, die aus nur einer Atomsorte bestehen das habe ich im vorigen Abschnitt getan.
In diesem Abschnitt werde ich auch keine Kristalle beschreiben, die aus Molekülen gebildet werden. Mit dem Konzept des Strukturtyps und dem Schwerpunkt auf elektrostatische Wechselwirkungen ist das nicht möglich. So gut wie jeder Stoff würde einen eigenen Strukturtyp bilden. Mehr über Molekülkristalle finden Sie in Kapitel xxx demnächst.
Fußnote 1 : Mehr über die Freie Enthalpie G eines Systems erfahren Sie in Kapitel 4.1.7.
Ionenkristalle gehorchen in ihrem Aufbau einigen Regeln. Jedoch gelten diese Regeln nicht in jedem Fall, sie werden nicht starr oder zwingend befolgt. In einigen Fällen, nämlich immer dann, wenn eine Abweichung von den Bauprinzipien in einer niedrigeren Freien Enthalpie (→ Fußnote 1) resultiert, wird diese Abweichung auch realisiert.
Fußnote 1 : Mehr über die Freie Enthalpie G eines Systems erfahren Sie in Kapitel 4.1.7.
Die Bauprinzipien sind
Fußnote 2 : Hinter dieser Formulierung steckt die elektrostatische Valenzregel (engl. electrostatic valence rule) von Pauling (L55, S. 510). Die Ladung eines Ions ist nicht gleich der Summe der Ladungen seiner Nachbarionen, denn von diesen hat ja jedes auch wieder mehrere Nachbarn, und so kann nur ein Teil der Ladungen der Nachbarionen dem gegebenen Ion zugeordnet werden.
Im Verlauf dieses Abschnitts werde ich über die Realisierung der Bauprinzipien schreiben, und ich werde eine große Zahl von Strukturtypen vorstellen, die den Bau von Ionenkristallen beschreiben.
Daneben werde ich auf eine Frage eingehen, die lange Zeit als überragend wichtig angesehen wurde, und die auf dieser Webseite immer wieder auf den Tisch kommt.
In den Unterabschnitten hier und in anderen Kapiteln erfahren Sie mehr zu Ionenkristallen.
Bau von Ionenkristallen
Strukturtypen binärer Kristallstrukturen, die von dichtesten Kugelpackungen abgeleitet sind
Andere binäre Kristallstrukturen
Andere Kristallstrukturen
Überstrukturen
Stabile Strukturen
Strukturtypen von Ionenkristallen in anderen Abschnitten
Bild 1 : Lizenz CCBYSA4.0. Bildnachweis und Lizenzinfo.
Text : Lizenz CCBYSA4.0. Lizenzinfo.
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