Chiralität im Alltag

Worum geht es ?

  linker Handschuh linker Handschuh, gespiegelt rechter Handschuh

Bild 1 : zuerst ein linker Handschuh, dann derselbe gespiegelt, und zuletzt der zugehörige rechte Handschuh. Beide sind chiral. Lesen Sie im Text, was das bedeutet.

Woran erkennt man chirale Moleküle ? Wie unterscheiden sie sich von nicht–chiralen Molekülen ? Das sind wichtige Fragen im Zusammenhang mit Isomerie und Chiralität.

Die meisten Menschen verstehen Chiralität am besten an Beispielen. Deshalb zeige ich auf dieser Seite eine Menge von chiralen und nicht–chiralen Gegenständen aus dem Alltag.

Im einzelnen erfahren Sie hier mehr über

 

Kurzinfo Chiralität und Symmetrie

Hier finden Sie kurze Erläuterungen einiger Begriffe in Alltagssprache, ohne Fachworte. Diese Erklärungen sind richtig, auch wenn ihnen der letzte Rest an fachlicher Exaktheit fehlt.

Man kann alle Gegenstände in 2 Gruppen einteilen. Es gibt chirale und achirale (das heißt nicht–chirale) Gegenstände.

Man kann die chiralen Gegenstände in 2 Gruppen einteilen. Es gibt unter den chiralen Gegenständen symmetrische und unsymmetrische.

 

Annähernd symmetrisch oder symmetrisch ?

Block mit quadratischen Notizzettel

Bild 2 : Laut Aufschrift sind diese Zettel 9 x 9 cm groß. Bei sehr genauem Nachmessen wird man geringe Abweichungen feststellen (Bruchteile eines Millimeters). Genau genommen sind die Zettel nicht mehr quadratisch und damit auch nicht mehr symmetrisch.

Die Mathematik definiert die Gegenstände, die sie untersucht, selbst. Deshalb hat ein mathematisches Quadrat 4 exakt gleichlange Seiten und 4 Winkel von exakt 90 Grad. Bei realen Gegenständen ist das niemals so. Auch wenn man sich viel Mühe gibt, ein Quadrat zu zeichnen, werden immer kleine Abweichungen von der Idealform auftreten. Und egal, wie viel Aufwand ein Hersteller treibt, einen Gegenstand von exakt quadratischer Form zu produzieren, werden immer, wenn auch nur winzige, Abweichungen von der Quadratform auftreten. Trotzdem nennt man diese Zeichnungen und Gegenstände quadratisch, und das ist auch richtig so.

Das menschliche Gesicht ist spiegelsymmetrisch. So sagt man oft, aber wer genau hinsieht, bemerkt bei jedem Gesicht kleine Abweichungen von der Symmetrie. Und so ist es bei allen realen Gegenständen. Es gibt keine exakt symmetrischen Gegenstände. Es gibt aber viele annähernd symmetrische Dinge. Ich werde sie auf meinen Seiten als symmetrisch bezeichnen, so wie man es im Alltag eben macht.

  Kopfbild Kopfbild, gespiegelt

Bild 3 : Auch wenn Sie die Frisur nicht beachten, werden Sie zwischen dem originalen Kopf des Autors (links) und dem gespiegelten Kopf Unterschiede bemerken. Gesichter sind nur annähernd spiegelsymmetrisch.

 

Beispiele

achirale Gegenstände

Achirale Gegenstände sind spiegelsymmetrisch. Man kann den Gegenstand und sein Spiegelbild allein durch Verschieben im Raum oder durch Drehen zur Deckung bringen.

Gabel Gabel, gespiegelt Messer Messer, gespiegelt Messer Messer, gespiegelt

Bild 4 : Gabel und Tafelmesser, jeweils links das Original, rechts das Spiegelbild.

Dass die Gabel spiegelsymmetrisch ist, sieht man sofort. Die ersten beiden Teile von Bild 4 (zuerst die Originalgabel, dann die gespiegelte) sind fast identisch. Mit minimalen Drehungen und Verschiebungen kann man sie ineinander überführen.

Beim Messer könnte man im ersten Moment glauben, es sei nicht spiegelsymmetrisch. Dabei haben wir nur ungeschickt gespiegelt. Bei allen Teilen von Bild 4 steht die Spiegelebene senkrecht auf dem Tisch. Für die Gabel war diese Wahl sinnvoll, für das Messer nicht. Seine Spiegelebene verläuft parallel zum Tisch. Um die Spiegelsymmetrie nachzuweisen, können wir 2 Dinge tun. Die eine Möglichkeit ist, dass wir uns erinnern, dass man bei spiegelsymmetrischen Objekten Bild und Spiegelbild durch Drehungen oder Verschiebungen zur Deckung bringen kann. Wir drehen also das Messer im vierten Teil um 180 Grad um eine Achse, die parallel zum Tisch liegt. Die zweite Möglichkeit ist, das Messer wie im fünften Teil von Bild 4 zu stellen. Nun verläuft die Spiegelebene senkrecht zum Tisch, und das gespiegelte Messer ist dem Original fast gleich.

 

Buchstabe T spiegelsymmetrisches Autorad

Bild 5 : Ein Buchstabe T und ein Autorad

Sowohl der Buchstabe T als auch das Autorad in Bild 5 sind spiegelsymmetrisch. Die Spiegelebene steht bei beiden senkrecht auf der Bildebene und verläuft in der Mitte des Buchstabens bzw. des Rades von oben nach unten.

 

chirale symmetrische Gegenstände

Chirale Gegenstände sind nicht spiegelsymmetrisch. Man kann den Gegenstand und sein Spiegelbild nicht durch Verschieben im Raum oder durch Drehen zur Deckung bringen. Jedoch besitzen einige chirale Gegenstände andere Symmetrieelemente, zum Beispiel Drehachsen. Man kann einen solchen Gegenstand dann durch Drehung (um einen geeigneten Winkel und eine geeignete Achse) mit sich selbst zur Deckung bringen.

Buchstabe S Buchstabe S, gespiegelt

Bild 6 : Der Buchstabe S, erst im Original, dann gespiegelt.

Der Buchstabe S in Bild 6 besitzt keine Spiegelebene. Er (links) und sein Spiegelbild (rechts) lassen sich durch Drehen oder Verschieben nicht zur Deckung bringen. Vielleicht wollen Sie einwenden, dass ich die Spiegelebene ungeschickt gewählt habe. Oder sie wollen einwenden, dass man das gespiegelte S so drehen müsste, dass die Vorderseite nach hinten und die Rückseite nach vorn kommt, also um eine Achse in der Bildebene. Oder sie wollen einwenden, dass er eine Inversion besitzt. Wenn der Buchstabe (und genauso das R im nächsten Abschnitt) auf der Rückseite genauso aussehen würde wie auf der Vorderseite, hätten Sie recht. Aber obwohl ich nicht auf das Bahnhofsdach geklettert bin und mir die Leuchtreklame von hinten angeschaut habe, bin ich doch sicher, dass es nicht so ist. Das S ist chiral.

Allerdings hat das S eine zweizählige Drehachse. Sie steht senkrecht auf der Bildebene und geht durch die Mitte des Buchstabens. Dreht man das S um 180 Grad, erhält man es identisch wieder.

Windrad, von hinten Windrad, von der Seite

Bild 7 : zuerst ein Windrad von hinten, dann dasselbe Windrad von der Seite.

Dass das Windrad in Bild 7 (nur Flügel und Nabe, ohne den Turm) eine dreizählige Drehachse hat, sieht man leicht. Da alle 3 Flügel gleich geformt sind, hat bei einer Drehung um 120 Grad jeder Flügel exakt die Lage seines Nachbarn.

Aber ist es spiegelsymmetrisch (achiral) oder doch chiral ? Das Windrad soll eine möglichst hohe Leistung erbringen, und deshalb sind seine Flügel unregelmäßig geformt. Suchen wir einfach mal nach einer Spiegelebene. Die eine Idee ist, die Spiegelebene senkrecht zur Drehebene zu legen (wenn man vor oder hinter dem Windrad steht, entsteht eine Spiegelung „rechts–links”), und die andere Idee ist, sie in die Drehebene zu legen (Spiegelung „vorn–hinten”). Wenn Sie sich Bild 7 genau betrachten, sehen Sie, dass beide Spiegelungen die Flügel nicht auf sich selbst abbilden. Das Windrad ist chiral.

 

Autorad, chiral Autorad, Detail

Bild 8 : Dieses Autorad ist chiral. Im Detailbild sehen Sie es genau.

Auch bei dem Autorad von Bild 8 sieht man die siebenzählige Drehachse schnell. Vielleicht ist unsere Wahrnehmung ja auf solche Symmetrieen trainiert. Aber spiegelsymmetrisch ist es nicht, im Gegensatz zum Rad von Bild 5. Im Detailbild von Bild 8 sehen Sie genau, dass eine Spiegelung das Rad nicht auf sich selbst abbilden würde. Dieses Rad ist chiral.

 

chirale asymmetrische Gegenstände

Solche Gegenstände besitzen überhaupt kein Symmetrieelement. Sie sind weder spiegelsymmetrisch noch sonst irgendwie symmetrisch. Man kann den Gegenstand und sein Spiegelbild nicht durch Verschieben im Raum oder durch Drehen zur Deckung bringen, und man kann den Gegenstand auch nicht durch Drehung oder irgend eine andere Symmetrieoperation mit sich selbst zur Deckung bringen.

Buchstabe R Buchstabe R, gespiegelt

Bild 9 : Der Buchstabe R, erst im Original, dann gespiegelt.

Der Buchstabe R in Bild 9 besitzt keine Spiegelebene. Er (links) und sein Spiegelbild (rechts) lassen sich durch Drehen oder Verschieben nicht zur Deckung bringen. Das R hat (im Gegensatz zum S aus dem vorigen Abschnitt) auch keine Drehachse. Es besitzt überhaupt kein Symmetrieelement und ist daher chiral.

Die Bemerkungen über die Wahl der Spiegelebene und den Unterschied zwischen Vorder– und Rückseite beim Buchstaben S weiter oben gelten hier genauso.

Schneckenhaus Korkenzieher, rechtsgängig Korkenzieher, gespiegelt

Bild 10 : chirale Gegenstände, die auch sonst kein Symmetrieelement besitzen

Vollkommen asymmetrische Dinge sind sowohl in der Natur als auch bei dem, was Menschen gestaltet haben, selten. Ausnahmen sind schrauben– und spiralartige Gegenstände, wie das Schneckenhaus in Bild 10 oder der Korkenzieher daneben. Weitere Ausnahmen treten dort auf, wo die Funktion eine asymmetrische Konstruktion zwingend erfordert, wie bei einem einzelnen Flügel des Windrads von Bild 7. Manchmal wird Asymmetrie auch gezielt zur Gestaltung eingesetzt, wie beim Autorad von Bild 8. Ja, und auf keinen Fall darf man Hände, Handschuhe (in Bild 1 zu sehen) oder Tierpfoten vergessen, von denen die Chiralität ihren Namen hat, denn das griechische Wort χειρ (cheir) bedeutet Hand.

Der kleine Unterschied

Manchmal braucht es nur eine kleine Veränderung, und aus einem chiralen Gegenstand wird ein achiraler, oder umgekehrt.

Messer Messer, gespiegelt Fischmesser

Bild 11 : Ein Tafelmesser (achiral) und ein „geschmackvolles” Fischmesser (chiral)

Symmetrieverlust : Weiter oben haben wir gesehen, dass übliche Tafelmesser spiegelsymmetrisch und damit achiral sind. Ihre Spiegelebene verläuft parallel zum Tisch. Im ersten und zweiten Teil von Bild 11 sehen Sie diese Situation noch einmal (erst das Original, dann sein Spiegelbild). Das Fischmesser im dritten Teil von Bild 11 ist über dieser Ebene anders geformt als darunter. Nicht nur sein Aussehen hat gelitten, auch die Spiegelebene ist verloren gegangen. Vielleicht hängen diese beiden Aussagen zusammen, denn die meisten Menschen finden symmetrische Gegenstände schöner als unsymmetrische. Das Fischmesser jedenfalls ist nicht spiegelsymmetrisch und damit chiral, es hat auch keine weiteren Symmetrieelemente und ist vollkommen asymmetrisch.

Symmetriegewinn : Wenn Sie sich Bild 7 nochmal ansehen, werden Sie bemerken, dass jeder einzelne Flügel des Windrads völlig asymmetrisch ist. Ein einzelner Flügel hat überhaupt kein Symmetrieelement. Setzt man jedoch 3 Flügel passend zusammen, erhält man ein Objekt (Windrad) mit dreizähliger Symmetrie.

 

 

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