Isomerie

Worum geht es ?

In diesem Kapitel erfahren Sie, was man unter Isomerie versteht und welche Arten der Isomerie es gibt. Außerdem werde ich eine Menge Begriffe rund um die Isomerie erklären.

Nach dem Notwendigen kommt das Interessante. Sie werden die Auswirkungen der Isomerie auf die Eigenschaften der beteiligten Stoffe kennenlernen, und ich werde an einer wirklich großen Zahl von Beispielen alle Phänomene rund um die Isomerie illustrieren.

Im einzelnen erfahren Sie mehr über

Arten der Isomerie

Betrachten Sie das Bild und klicken Sie auf die Kästen, um mehr über die einzelnen Arten der Isomerie zu erfahren.

Stoffe (Reinstoffe) Isomere keine Isomere Stereoisomere Konstitutionsisomere Enantiomere (Spiegelbilder) Diastereoisomere (keine Spiegelbilder)

 

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Basisinformationen zur Isomerie

Wie so oft, ist auch die Erklärung der Isomerie ganz einfach.

Isomere haben die gleiche Summenformel, aber unterschiedliche Strukturformeln.

Wenn 2 Stoffe isomer sind, dann sind in den Molekülen dieselben Atome vorhanden, und von jeder Sorte gleichviel, sie sind aber anders miteinander verbunden oder befinden sich an anderen Stellen.

Fremdworte und Altlasten machen es schwer, bei der Isomerie durchzublicken. Sie werden dieses Kapitel verstehen, auch wenn Sie die Sprache des antiken Griechenland nicht beherrschen (dort stammen nämlich die meisten Fachausdrücke her). Und ich werde einen großen Bogen um Bezeichnungen und Beschreibungen machen, die zu einer Zeit entstanden sind, als man den Bau der Moleküle noch nicht genau genug kannte, und die heute nur noch verwirren.

Detailverliebtheit und Sorgfalt sind für mich keine Unworte, sondern Schritte auf dem Weg von Halbwissen und Oberflächlichkeit zu wirklichem Verstehen. Das werden Sie hier finden.

Stoffe – Bei welchen Stoffen kann Isomerie auftreten  ?

In den Molekülen isomerer Stoffe sind zwar dieselben Atome vorhanden, aber anders angeordnet. Eine grundlegende, oft nicht genannte, weil selbstverständliche Voraussetzung ist also das Vorhandensein einheitlicher Moleküle (oder wenigstens Atomgruppen). Es macht also nur bei Reinstoffen Sinn, von Isomerie zu sprechen.

Isomerie und keine Isomerie – Wann liegt keine Isomerie vor ?

Vielleicht erstaunt es Sie, in einem Kapitel über Isomerie einen Abschnitt über „Nicht–Isomerie” zu finden. Aber das macht Sinn. Es grenzt die Isomerie gegen verwandte Erscheinungen ab und hilft, Verwechslungen und Missverständnisse zu vermeiden.

Selbstverständlich sind Stoffe nicht isomer, wenn sie verschiedene Summenformeln haben. Das sagt schon die Definition. Natürlich sind Wasser (H2O) und Ammoniak (NH3) nicht isomer.

Viele Stoffe bilden mehrere Modifikationen aus. So hat Sauerstoff 2 Modifikationen, den gewöhnlichen Sauerstoff (O2) und Ozon (O3). Schwefel bildet neben dem gewöhnlichen cyclo–Octaschwefel (S8) mehrere Arten von Molekülen, von S6 über S9 bis zu S20. Alle diese Stoffe haben verschiedene Summenformeln, sind also keine Isomere, sondern verschiedene Verbindungen.

Bei anderen Stoffen gibt es Modifikationen, in denen dieselben Moleküle vorliegen, jedoch sind sie unterschiedlich im Kristall angeordnet. Dazu gehört Eis, von dem neben dem gewöhnlichen „Eis Ih” noch etwa englische Flagge 15 weitere Hochdruckmodifikationen bekannt sind. Ein anderes Beispiel ist Schwefel (genau cyclo–Octaschwefel), der eine rhombische und eine monokline Modifikation bildet. Alle diese Stoffe haben nicht nur gleiche Summenformeln, sondern auch gleiche Strukturformeln. Die Atome sind also in den Molekülen immer gleich angeordnet. Es sind keine Isomere, sondern „nur” Modifikationen desselben Stoffes.

Bei Stoffen, die aus Ionen (nicht aus Molekülen) bestehen, kommt es vor, dass die Ionen in unterschiedlichen Kristallgittern kristallisieren. Ein Beispiel ist Zinkblende und Wurtzit, beides sind Modifikationen des Zinksulfid (ZnS), ein anderes sind die Modifikationen des Silberiodid (AgI). Da hier keine Moleküle vorliegen, spricht man nicht von Isomerie.

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Konstitutionsisomerie

Die Isomeren (zu einer bestimmten Summenformel) zerfallen in 2 Hauptgruppen, nämlich die Konstitutionsisomeren und die Stereoisomeren.

Zuerst soll es um die Konstitutionsisomeren gehen. Sowohl der lateinische Begriff constitutio als auch seine deutsche Übersetzung Konstitution sind so allgemein, da gibt es keine treffende und gleichzeitig konkrete Übersetzung oder Beschreibung. Trotzdem kann man klar sagen, was Konstitutionsisomerie ist.

Konstitutionsisomere haben unterschiedliche Konnektivität. Wer mit wem ?

Die Konnektivität (abgeleitet vom englischen connectivity) gibt an, welche Atome in einem Molekül miteinander verknüpft sind. Statt Konnektivität kann man auch Bindungsnachbarschaft oder Verbundenheit sagen. Die Konnektivität beschreibt somit die Topologie (das Verknüpfungsschema, wer ist mit wem verbunden) des Moleküls. Wem es nichts ausmacht, Denglisch statt Deutsch zu reden, kann auch sagen, es geht darum, welche connections die Atome haben. Am besten sieht man an Beispielen, wann die Konnektivität gleich ist und wann nicht.

Erstes, einfaches Beispiel

 

Sehen Sie sich die beiden Formeln in Bild 2 an. In Formel (1) (sie stellt den Stoff Dimethylether dar) ist das Sauerstoffatom mit 2 Kohlenstoffatomen verbunden, in Formel (2) (Ethanol) mit einem Kohlenstoff– und einem Wasserstoffatom. Die Konnektivität ist unterschiedlich, Dimethylether und Ethanol sind Konstitutionsisomere.

Zweites Beispiel mit Gegenbeispiel

 

Bild 3 zeigt 3 verschiedene Strukturformeln. Sie gehören also zu 3 Isomeren. In der linken Formel (3) ist eines der beiden Kohlenstoffatome (dass es auf der linken Seite gezeichnet wurde, ist Zufall) mit 2 Chloratomen verbunden, in der mittleren (4) und rechten (5) Formel gibt es kein Kohlenstoffatom, das mit 2 Chloratomen verbunden ist. (3) und (4) sind Konstitutionsisomere, ebenso (3) und (5).

Jedoch haben (4) und (5) dieselbe Konnektivität. Bei beiden ist jedes Kohlenstoffatom mit je einem Chloratom und einem Wasserstoffatom verbunden. (4) und (5) sind keine Konstitutionsisomere.

Drittes, anspruchsvolles Beispiel

 

Hier sehen wir, dass es zu kurz gedacht ist, nur die unmittelbaren Nachbarn eines jeden Atoms zu betrachten. Obwohl die Formeln in Bild 4 zu verschiedenen Stoffen gehören (oben Dipropylether (6), unten Butylethylether (7)), hat jeder der beiden Stoffe

Erst das vollständige Verknüpfungsschema zeigt die Verschiedenheit.

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Stereoisomerie

Die Isomeren (zu einer bestimmten Summenformel) zerfallen in 2 Hauptgruppen, nämlich die Konstitutionsisomeren und die Stereoisomeren.

Wie im vorigen Abschnitt beschrieben, haben die Konstitutionsisomeren unterschiedliche Konnektivität. Da müssen die Stereoisomeren wohl gleiche Konnektivität haben. Sie unterscheiden sich voneinander in der unterschiedlichen Anordnung der Atome im Raum.

Stereoisomere haben gleiche Konnektivität, aber unterschiedliche räumliche Anordnung der Atome. Wo im Raum ?

 

Im vorigen Abschnitt hatten wir schon 2 Isomere gefunden, die keine Konstitutionsisomere sind. Betrachten wir dazu noch einmal die beiden Formeln in Bild 5. Am linken Kohlenstoffatom sind (außer dem rechten Kohlenstoffatom) ein Chloratom und ein Wasserstoffatom gebunden. Dass ich das Chloratom oben gezeichnet habe, ist Zufall. Am rechten Kohlenstoffatom habe ich nichts dem Zufall überlassen. In der linken Formel (4) ist das zweite Chloratom auf derselben Seite wie das erste, in der rechten Formel (5) auf der (der Doppelbindung) gegenüberliegenden Seite. Die räumliche Anordnung der Atome ist also unterschiedlich, es liegen Stereoisomere vor.

Wie benennt man die beiden unterschiedlichen Stoffe ? Gut merkbare, häufig benutzte, wenn auch nicht systematisch exakte Namen für die beiden Isomeren (und für viele analoge) sind cis–1,2–Dichlorethen für (4) (die lateinische Vorsilbe cis bedeutet diesseits) und trans–1,2–Dichlorethen für (5) (trans = jenseits).

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Enantiomerie (Spiegelbildisomerie)

Wir betrachten 2 Stereoisomere. Die Konnektivität ist gleich, aber die Anordnung der Atome im Raum ist unterschiedlich. Dabei kann es vorkommen (und das kommt wirklich oft vor), dass sich die beiden Isomeren zueinander wie Bild und Spiegelbild verhalten. Wenn das der Fall ist, nennt man sie Enantiomere. Man nennt die Enantiomeren deshalb auch Spiegelbildisomere.

Haben wir da etwas übersehen ? Nicht wirklich, aber bei flüchtigem Lesen kann man etwas übersehen. „Wir betrachten 2 Stereoisomere” steht im vorigen Absatz. Stereoisomere (und überhaupt Isomere) sind unterschiedliche Verbindungen – so ist Isomerie definiert. Bild und Spiegelbild, die beiden Enantiomeren, müssen also verschieden sein.

Enantiomere verhalten sich zueinander wie Bild und Spiegelbild.

Enantiomerie und Chiralität

Wo es um Enantiomerie geht, ist die Chiralität nicht weit. Was bedeuten diese beiden Ausdrücke, wo sind ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede ?

Erstes, winziges Beispiel

 

 

In Bild 6 sehen Sie Keilstrichformeln von R–Butan–2–ol (8) und S–Butan–2–ol (9). Der ausgefüllte Keil (bei (8) hängt die OH–Gruppe daran) zeigt an, dass diese Bindung nach vorn, zum Betrachter hin, weist. Der gestrichelte Keil (bei (8) hängt die Ethylgruppe daran) zeigt, dass die Bindung nach hinten gerichtet ist. Gewöhnliche Striche liegen in der Zeichenebene.

Bild 7 zeigt räumliche Modelle der beiden Stoffe. Entsprechend Ihren persönlichen Vorlieben werden Sie aus der einen oder der anderen Darstellung den räumlichen Aufbau besser erkennen können.

Sehen Sie sich die Bilder lange und intensiv an. Bald werden Sie bemerken, dass (9) das Spiegelbild von (8) ist. (8) und (9) sind also Enantiomere.

Wenn immer noch ein Rest Zweifel in Ihnen ist, ob man (8) nicht doch mit (9) zur Deckung bringen kann, rufen Sie die Jsmol–Visualisierung der beiden auf und versuchen Sie es. Es wird aber nicht gehen.

Diastereoisomerie

Hier kommt das hin, was übrigbleibt. Das sind Stereoisomere, die keine Enantiomeren sind. Die Konnektivität ist also gleich, aber die Anordnung der Atome im Raum ist verschieden. Und die beiden Isomeren dürfen sich nicht wie Bild und Spiegelbild verhalten.

 

Ein Beispiel haben wir weiter oben schon kennengelernt und in Bild 5 illustriert. Hier wiederhole ich das Bild. Sie sehen : cis–1,2–Dichlorethen (4) und trans–1,2–Dichlorethen (5) sind Diastereoisomere.

 

 

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